Anna Buchwinkel - skurrile Romane

Anna Buchwinkels Romane „Nach dem Tod gleich links“ und “Nach dem Verstand einfach geradeaus” sind bei Piper Humorvoll erschienen. Wer ist diese Autorin? Wie war ihr Werdegang? Wie kommt sie auf ihre  skurrilen Ideen? Lest selbst!

Interview

Anna: Wie so viele habe ich bereits als Kind Geschichten und Bücher verschlungen – Pipi Langstrumpf mit ihrem „Ich mach mir die Welt wie sie mir gefällt“ hat mein Leben geprägt. Schon in der Grundschule habe angefangen selbst Geschichten zu schreiben und mit zwölf Jahren auch mal für einem zweiten Platz in einem großen Schreibwettbewerb 800 D-Mark kassiert.

Doch die Schreiberei ist dann wieder eingeschlafen und es stand erst mal das Erleben von Geschichten auf dem Programm. Als ich mit Mitte Dreißig nach zehn Jahren, die ich überwiegend in Asien verbracht habe, wieder in Deutschland gelandet bin, habe ich das Schreiben wieder aufgenommen. Erstmal mit Kurzgeschichten und von da ging es über einen Kurzroman weiter zum „richtigen“ Roman. Inzwischen habe ich auch noch eine Drehbuchausbildung gemacht.

Lea: Wie kommst du auf deine Ideen?

Anna: Die Frage sollte viel eher lauten: Wie kommen sie auf mich? Ich werde regelmäßig überfallen, schon wenn ich morgens nichtsahnend und verschlafen den ersten Kaffee trinke kann es passieren, dass mich eine überfällt und sich hinterhältig in eine meiner Hirnwindungen frisst. Und dann fallen den ganzen Tag über irgendwo Stichwörter, ich lese etwas, höre eine Radiomeldung, jemand erzählt was und schon spult ein kleiner Film ab.

Manchmal kommt auch ein Protagonist vorbei – die einen setzen sich hin und warten hartnäckig, bis ich sie nicht länger ignorieren kann, andere stehlen sich klammheimlich in den Text. Wieder andere machen sich lautstark bemerkbar und dann gibt es noch die, die vorbeihuschen und bei denen ich mich bemühen muss, einen Zipfel zu erwischen.

Natürlich gibt es noch die Grundthemen, die bei mir immer mitschwingen: Leben und Tod. Identität – und ob man sie wirklich braucht und was man mit ihr alles anstellen kann. Verstand und welche Auswirkungen das, was in ihm vorgeht, auf unsere Wahrnehmung und damit unsere Realität hat. Sinn und Unsinn des Lebens. Es gibt so vieles in diesen Bereichen, was ich faszinierend finde. Und wenn alle drei Aspekte zusammenkommen, dann entsteht der Grundstein für eine Geschichte.

Lea: Erzählst du uns ein bisschen von deinem Roman „Nach dem Tod gleich links?“

Anna: Der Roman ist unterhaltend und humorvoll, beschäftigt sich aber nichts desto trotz mit Fragen rund um Tod und Schicksal. Wieviel Einfluss können wir Menschen überhaupt auf unser Leben nehmen? Was ist uns vorherbestimmt? Was passiert, wenn der Drang zur Verwirklichung der eigenen Vorstellungen alle Regeln sprengt? Mit denen wird auch meine Heldin Else konfrontiert, die sich in dem Bestreben, ihren heißgeliebten Schlagersänger vor dem Sterben zu retten, auf die Suche nach dem Tod macht. Dabei hebt sie die für den Tod der Menschen zuständige Organisation – die Life Limited Ltd. – komplett aus den Angeln, gibt nebenbei einer Reihe von mehr oder weniger gescheiterten Existenzen neuen Lebenssinn, bringt einen Mörder zur Strecke und findet auch noch heraus, was es mit der großen Liebe auf sich hat.

Doch nicht nur Else macht im Buch eine Entwicklung durch, sondern auch Tod Detlef. Als er nämlich von Arbeitszeitregelungen, Gewerkschaften und weiteren Arbeitsrechten erfährt und eine Bewegung gründet, die sich für den freien Willen des Einzelnen beim Sterben einsetzt und mehr Selbstbestimmung fordert, läuft alles schnell aus dem Ruder.

Auf ihrer jeweiligen Ebene sorgen sowohl Else als auch Detlef für ordentliches Chaos, und bis sich die Wogen wieder glätten und die scheinbar unvereinbaren Gegensätze zusammenfinden, geht es rasant, beschaulich und sehr menschlich zu.

Lea: In deinem Roman kommt ja der Tod in personalisierter Form vor – und nicht nur einer, sondern gleich eine ganze Firma. Wie bist du darauf gekommen, den Tod in einem humorvollen Roman zu thematisieren?

Anna: Ich persönlich finde ja, der Tod ist im Leben völlig unterbewertet – in unserer Kultur zumindest. In Indien gibt es beispielsweise, wenn die Rede auf den Tod kommt, weder peinliches Schweigen noch Berührungsängste. Da wird noch mit Hand angelegt, wenn der Scheiterhaufen für die Einäscherung vorbereitet wird.

Der Tod ist nun mal ein ganz ursprünglicher, natürlicher und elementarer Teil des Lebens – und ein unvermeidbarer. Wenn man ihn also schon nicht loswird, dann kann man doch zumindest schauen, ob er sich nicht nützlich machen kann. Und ich denke, das kann er durchaus.

Für mich relativiert sich im Kontext der eigenen Endlichkeit vieles – wer könnte noch ernsthaft glauben es sei gerechtfertigt, einen Tobsuchtsanfall zu bekommen, weil einem Jemand die Vorfahrt nimmt, wenn der Tod danebenstünde und man die letzten Körnchen durch die Sanduhr rieseln sehen würde. Oder einen Nervenzusammenbruch, weil sich kurz vor dem Date eine Laufmasche breitmacht. Nicht falsch verstehen, von mir aus darf sich gerne jeder über alles Mögliche aufregen, bis ihm der Kragen platzt, aber dann sollte man auch Spaß dran haben. So wie Rumpelstilzchen beispielsweise. Ansonsten machen Ärger, Stress und Unzufriedenheit einfach nur krank – und Krankheit führt ja bekanntlich manchmal schneller zum Tod, als einem lieb ist.

Lea: Planst du deine Romane im Detail und Kapitel für Kapitel, oder gehörst du eher zu der Gattung der „Bauchschreiber“?

Anna: Auf Romanlänge funktioniert bei mir das Bauchschreiben nicht – so gerne ich es tue. Dafür gibt es zu viele Ebenen, zu viele Entwicklungen und zu viele Handlungsstränge, die am Ende zusammengeführt werden wollen. Daher plane ich, wobei diese Planung im Verlaufe der Romanentstehung mehrfach umgeworfen oder angepasst werden muss. Manche Idee oder Entwicklung kommt tatsächlich erst beim Schreiben, sodass ständig auch die Planung in Bewegung ist. Was sind die Konsequenzen, was eröffnet das für Möglichkeiten, was macht das mit der Handlung und den Figuren – alles Dinge, die ich durchdenke, bevor ich mich dafür oder dagegen entscheide. Ich habe auch festgestellt, dass diesbezüglich jede Geschichte ihre eigene Form der Herangehensweise braucht. Aber eine solide Planung spart später so manches an Überarbeitung. Und sie macht Spaß 😉

 

Lea: Was unternimmst du, wenn dich eine Schreibblockade im Klammergriff gefangen hält – oder kommt das nicht vor?

Anna: Ich habe eine Ausbildung in chinesischer Medizin gemacht und in diesem Kontext entsteht eine Blockade bzw. ein Stau entweder durch einen Mangel oder durch eine Fülle – also ein „Zuviel“. Das lässt sich auch gut auf das Schreiben übertragen. Wenn es irgendwo hängt, habe ich in der Regel etwas vernachlässigt – eine Figur, der ich besser hätte zuhören sollen, den Plot, die Grundidee, die noch nicht präzise genug ist, oder aber mich selbst. Oder ich habe ein „Zuviel“ – sei es an Figuren, an Elementen für den Plot oder an Themen, die ich gerne unterbringen möchte. Was in der Regel hilft, ist zurück ans Reißbrett zu gehen, sich auf den roten Faden zu konzentrieren und von dort aus nochmal neu loszulaufen. Das kann durch eine Heldenreise geschehen, durch ein Interview oder einen Tagebucheintrag für eine Figur oder durch die Schneeflockenmethode. Und wenn das nicht hilft, dann hat mit Sicherheit jemand von außen genug Abstand, um die passenden Fragen zu stellen. Dann sieht man schnell, wo es hakt. Und man ist ja als Autor zum Glück nicht alleine.

Lea: Was macht für dich eine gute Geschichte aus?

Anna: Beim Lesen fasziniert es mich, das Leben in der ganzen Bandbreite seiner Ausdrucksformen zu entdecken. Eine gute Geschichte lässt mich in eine neue Welt eintauchen, sie inspiriert, berührt, eröffnet neue Horizonte, neue Möglichkeiten, neue Sichtweisen. Genial finde ich auch, wenn jemand wie Neal Shusterman oder Andreas Eschbach originelle „Was wäre wenn …“ Szenarien auf die Beine stellt, gerne auch zu brisanten Themen. Und ich liebe es, beim Lesen herzlich zu lachen

Lea: Was würdest du angehenden Autoren raten?

Anna: Schreiben ist wirklich ein Handwerk, das erlernt werden will, und während man bei einer Kurzgeschichte auch „aus dem Bauch raus“ ganz gut hinkommen mag, wird das auf Romanlänge extrem schwierig. Daher: Eine solide Ausbildung mit geschultem Feedback zu den eigenen Texten machen und sich eine Gruppe von Leuten suchen, mit dem man sich über das Schreiben und die eigenen Geschichten und Texte austauschen kann. Beides habe ich bei dir im Online-Autorenkurs gefunden und über das Forum auch weiter kultivieren können. Mal abgesehen von dem Spaß, den das gemacht hat – und weiterhin macht -, habe ich unglaublich viel gelernt. Und dann natürlich ganz wichtig: dranbleiben und nie aufhören zu lernen.

Lea: Gibt es eine Fortsetzung zu „Nach dem Tod gleich links“?

Anna: In meiner Vorstellung reist Else jetzt erstmal durch die Welt und das sei ihr von Herzen gegönnt. Also: Es würde mich sehr wundern.Aber auf der anderen Seite habe ich natürlich keine Ahnung, was die Vorsehung für Else und für mich geplant hat.

Lea: Wann kommt dein nächster Roman?

Anna: Das ist noch nicht klar. Ich habe eine Rohversion in der Schublade liegen, die aber noch viel Überarbeitung nötig hat und schreibe derzeit an einem Jugend- bzw. All-Age Roman, der auch als Drehbuch geplant ist. Außerdem gibt es noch mehrere sehr spannende Gemeinschaftsprojekte, an denen ich mittüftle. Wann was in welcher Reihenfolge fertig wird, kann ich momentan noch nicht sagen. Lassen wir uns überraschen.

Lea: Wird man Dich in Leipzig oder Frankfurt zur Buchmesse treffen?

Anna: In Leipzig war ich dieses Jahr zum ersten Mal – aber sicher nicht zum letzten. Und in Frankfurt werde ich auch sein. Außerdem stehen dieses Jahr diverse Lesungen an, Infos dazu gibt es auf Facebook oder auf meiner Webseite www.annabuchwinkel.de.